Ferris MC
Ferris MC war schon alles und jeder: Der Asi, der Freak und der XXL-Junkie. Das Reimemonster und Enfant Terrible der Hamburger HipHop-Szene mit Classics für die Ewigkeit. Als Teil der Avantgarde-Pöbel-Kombo Deichkind stand er zehn Jahren lang auf den größten Bühnen des Landes, wurde mit Preisen und Awards überhäuft. Er ist Electro-DJ, Schauspieler und Familienvater. Kurzum: In gut drei Jahrzehnten hat Ferris MC alles mitgenommen – die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen dieser missglückten Welt namens Leben. Mit seinem neuen und neunten Album „Alle hassen Ferris“ präsentiert Ferris MC alle Facetten seiner missglückten Welt.
Denn gerade die letzten Jahre lief alles anders als geplant. „Als ich nach der Trennung von Deichkind wieder Kraft geschöpft habe und mich mit meinem Album ‚Missglückte Asimetrie‘ auf die Solokarriere konzentrieren wollte, kam plötzlich Corona“, erinnert sich Ferris. „Ich hatte noch ein paar DJ-Auftritte und den einen oder anderen Filmdreh. Aber dann wurden die Sets geschlossen, die Clubs haben dichtgemacht und meine Tour wurde zweimal verschoben.“ Zu der seelischen, kommt jetzt auch die finanzielle Belastung: Grundsicherung, Soforthilfen, Herumkrebsen am Rande des Existenzminimums. „Das war nicht meine erste Krise, aber ich bin lange nicht mehr durch so ein tiefes Tal gewandert wie zu diesem Zeitpunkt.“
Aber Ferris wäre nicht Ferris, wenn er sich von alldem eben genau nicht unterkriegen lassen würde. Zumal das Album auf Platz 22 der Offiziellen Charts einsteigt und von den Kritikern gefeiert wird. In SWISS findet Ferris zudem einen Freund und Unterstützer. „Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, dass ich zumindest als Künstler auf einem guten Weg bin. Das hat mir einen echten Energieschub gegeben. Auf einmal hat alles Sinn gemacht. Ich wusste wieder, wer ich bin und wie es weitergehen soll.“
Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist „Alle hassen Ferris“. Entstanden mit Olli Bockmist, Chris und π von Lord of the Lost sowie Ruben Roeh und der gesamten Missglückten Welt, ist es ein Album mit ganz eigenem Crossover-Sound zwischen College-Rock und Fun-Punk geworden. Selbstironisch und auch selbstreflektierend, sozialkritisch und doch ohne erhobenen Zeigefinger – denn der spielt lieber einmal die Klaviatur aller erdenklichen Emotionalitäten hoch und runter.
„Alle hassen Ferris“ ist ein Album der Gegensätze, die sich doch perfekt ergänzen. „Partisanen“ ist Rock-Remmidemmi in Reinform und Vergangenheitsbewältigung in einem, während sich Ferris mit „Alles außer Kontrolle“ selbst auf die Schippe nimmt. „Skid Row“ mit Shocky und SWISS ist der Soundtrack für alle Kaputten, an der Seite von FiNCH betreibt Ferris mit „Freizeit und Kuchen“ Arbeitsverweigerung der etwas anderen Sorte und liefert mit „Schatzi hat gesagt“ eine längst überfällige Pantoffelheldenhymne.
Aber dann gibt es eben auch Songs wie „Was ist geblieben?“ mit SDP-Hälfte Dag, auf dem die beiden gebrochenen Seelen in ihrer bittersüßen Melancholie perfekt harmonieren, und den liedgewordenen Fickfinger „IGKF“, der den Kreis zum Albumtitel schließt. „Viele Künstler haben ja dieses Problem, weil sie immer an den ersten Alben gemessen werden. Die Leute wollen immer den alten Ferris zurück. Das Ding ist nur: Sie haben eigentlich ja den alten Ferris. Aber was sie wollen, ist der junge Ferris. Nur den kann es ja gar nicht geben, weil wir alle älter werden – die Fans und ich auch. Das liegt ja in der Natur der Sache. Ich mache einfach, was ich geil finde, schicke es raus – und der Rest liegt nicht in meiner Macht“, sagt Ferris – recht hat er.